aus Mörfelden-Walldorf (Deutschland)
Beidseitig implantiert
Cochlea-Implantatbenutzer
Hörsturz
Wartungsingenieur
Michael, 61 Jahre aus Mörfelden-Walldorf ist Wartungsingenieur bei der Lufthansa. Nachdem er im Oktober 2011 sein erstes Cochlea-Implantat erhielt, ist er seit September 2012 bilateral versorgt.
Erfahrungsbericht Michael
1. Wie stark ist dein Hörverlust? Wann und warum ist dein Hörverlust aufgetreten?
Während meines ersten Studienjahres habe ich über Nacht einen beidseitigen Hörsturz erlitten. Dabei habe ich nicht nur einen dramatischen Hörverlust erlitten sondern musste mich von da an auch mit beidseitigen Ohrgeräuschen (Tinnitus) auseinandersetzen. Über 30 Jahre hat sich der Hörverlust schwankend, aber in zunehmender Tendenz entwickelt und vor etwa drei Jahren wurde ich als hochgradig schwerhörig eingestuft.
2. Wie hast du persönlich den Hörverlust empfunden?
Ich fühlte mich oft unverstanden, dabei habe ich die Anderen nicht verstanden. Man wurde oft auch nicht ernst genommen. Normalhörende haben keine Vorstellung von den Auswirkungen des schlechten Hörens. Dadurch wird man häufig wie ein Dummer behandelt, nur weil man etwas akustisch nicht verstanden hat. Das deutsche Wort „doof“ kommt von dem englischen Begriff „deaf“ (Taub). Früher war man der Ansicht, dass Taube eine geringere Intelligenzentwicklung haben. Im Ruhrgebiet gibt es z.B. den Spruch „Bist du doof auf den Ohren“.
3. Wie wurdest du von Ärzten, Freunden oder der Familie unterstützt?
Wenig. Schwerhörigkeit kann man nicht sehen und als Betroffener versucht man krampfhaft seine „Behinderung“ zu verstecken und möglichst „normal“ zu funktionieren.
4. Wann und wie hast du von der Möglichkeit eines Hörimplantats erfahren?
Die Möglichkeit eines CI kannte ich bereits aus dem Internet. Allerdings war mir nicht bewusst, wie gut diese Implantate funktionieren. Somit habe ich ein CI immer als „ultima ratio“, wenn es wirklich nicht mehr anders geht, beurteilt. Wenn ich gewusst hätte, wie gut man damit wieder hören kann, hätte ich mich vielleicht früher damit auseinandergesetzt. Oftmals wissen HNO-Ärzte wenig von den Möglichkeiten einer Implantation.
5. Was ist für dich das Schönste am wieder hören können?
Ich kann relativ problemlos an Unterhaltungen und Besprechungen teilnehmen. Die Kommunikation in der Familie und mit Freunden ist wieder viel intensiver. Man ist wieder Teil der Gesellschaft. Es gibt natürlich immer noch viele Einschränkungen, z. B. in hallenden Räumlichkeiten oder bei viel Störlärm. Aber ich bin sehr froh alltägliche Geräusche wie Vogelzwitschern, Regenprasseln oder den Wind in den Blättern hören zu können, da ich ein sehr naturverbundener Mensch bin. Auch Musik kann ich wieder hören, wenn auch nicht jede mit Genuss.
6. Wie hat sich das Thema Hörverlust auf dein Leben und deine Karriere ausgewirkt? Was hat sich durch das Implantat verändert?
Mit dem eingeschränkten Hörvermögen kam ich mir immer vor wie unter einer „Käseglocke“. Wenn ich gefragt wurde, wie sich schlechtes Hören eigentlich anfühlt, so habe ich es immer mit einem optischen Gleichnis versucht zu erklären. Ich beschrieb das schlechte Hören wie den Blick durch eine Milchglasscheibe. Man sieht Schemen aber keine Details – da ist eine Person oder ein Gegenstand aber man erkennt keine unverwechselbaren Merkmale. Das Implantat ist wie das Aufsetzen einer Brille – plötzlich ist alles wieder erkennbar.
7. Wie erging es dir nach der Implantation?
Ich habe auf Grund der Tatsache, dass ich nie taub war, eine relativ kurze Eingewöhnungsphase durchlebt. Da ich dem Implantat von Anfang an sehr positiv gegenüber eingestellt war, konnte ich die ersten, seltsamen Höreindrücke auch akzeptieren. Ich kam aber sehr schnell mit den neuen Signalen zurecht und konnte einem Gespräch nach drei Stunden schon relativ normal folgen. Nach ein paar Wochen war ich mit meinem Hören schon so zufrieden, dass ich die Reha als unnötig erachtet habe. Dennoch hat mir die Reha definitiv sehr weitergeholfen – nicht nur in Bezug auf mein Hörvermögen, sondern auch dadurch, dass mir klar wurde – ich bin nicht allein.
8. Was möchtest du Betroffenen und Angehörigen mit auf den Weg geben?
Man sollte sich nicht damit abfinden, wenn man mit Hörgeräten nicht zurechtkommt und doch nicht, wie erhofft, am Leben teilnehmen kann. Es ist wichtig, mit dieser Beeinträchtigung offen umzugehen – auch wenn es schwerfällt. Und ansonsten – immer positiv denken und nicht zu früh aufgeben.