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Valerie

aus Hamburg

Beidseitig implantiert
Cochlea-Implantatbenutzer
Krankheit
Promovierte Molekularbiologin

Valerie Somani, 33 Jahre, lebt momentan in Hamburg und arbeitet als promovierte Molekularbiologin in der Krebsforschung. Seit November 2016 trägt sie auf beiden Ohren Cochlea-Implantate. 

Erfahrungsbericht Valerie

Valerie ist Botschafterin weil:

Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer die Entscheidung für ein CI sein kann. Erst nach meiner Operation, in der Reha, habe ich viele andere Menschen mit Cochlea-Implantat kennengelernt. Ich merkte, wie wichtig und schön dieser Austausch für mich war. Darum möchte ich als Botschafterin vor allem meine Erfahrungen teilen und anderen vielleicht auf diese Weise ihre Ängste nehmen.

1. Wann und warum ist dein Hörverlust aufgetreten? Und wie stark ist er?
Im Alter von vier Jahren hatte ich eine Meningitis, die zu spät erkannt wurde. Anschließend war ich auf dem rechten Ohr ganz taub und auf dem linken Ohr hörgeschädigt. Dreißig Jahre lang trug ich darum auf meinem linken Ohr ein Hörgerät. Auf dem rechten Ohr brachte ein Hörgerät leider nichts.
2. Wie reagierten du und deine Familie, als klar war, dass du von Hörverlust betroffen bist?
Als Kind nimmt man eine solche Situation einfach an, wie sie ist. Mein Glück war natürlich, dass ich bereits sprechen konnte, als ich durch die Krankheit hörgeschädigt wurde. Meine Eltern haben mich immer unterstützt und sich zu hundertfünfzig Prozent hinter meine Förderung geklemmt, mit Logopädie und so weiter. Insgesamt bin ich sehr selbstverständlich unter Hörenden aufgewachsen und habe mich auch später im Studium immer durchgebissen.
3. Über die Jahre hat sich dein Gehör auch auf dem zweiten Ohr weiter verschlechtert. Wie hast du persönlich diesen Hörverlust empfunden?
Im zweiten oder dritten Jahr meiner Promotionsstelle hatte ich so etwas wie einen Hörsturz mit bleibendem, sehr starken Tinnitus. Ich hoffte zunächst, dass sich alles wieder verbessern würde. Ich klammerte mich an mein Restgehör und versuchte, so gut es ging, zurechtzukommen. Doch leider wurde es nicht mehr besser: Ich konnte meine Kollegen kaum noch verstehen, konnte nicht mehr telefonieren. Es war eine Katastrophe, das Arbeiten wurde unmöglich.
4. Wann und wie hast du von der Möglichkeit eines Hörimplantats erfahren?
Von der Möglichkeit eines Cochlea-Implantats wusste ich schon seit meiner Jugend. Ich ging ja jährlich zur Kontrolle und wurde immer darauf angesprochen, ob ich nicht ein CI einsetzten lassen möchte. Doch solange mein Gehör auf dem zweiten Ohr stabil geblieben war, ist das für mich nicht in Frage gekommen. Es klappte ja alles auch so – ich wollte keine OP, wenn es nicht unbedingt sein musste.
5. Wie hast du die Entscheidung zum CI schließlich abgewogen?
Ich habe sehr damit gehadert, denn ich hatte schlichtweg Angst. Eine Sorge galt der Operation, noch dazu am Kopf, das hat mich abgeschreckt. Und dann kann man das CI ja auch nicht so einfach ausprobieren und wieder ablegen. Die Tochter eines Freundes meines Vaters, welche selbst bilateral CI-Trägerin ist, hat mich allerdings mit ihren Erfahrungen in meiner Entscheidung bestärkt. Ansonsten hatte ich keinen Kontakt zu Betroffenen, was rückblickend natürlich ein Fehler war. Irgendwann war meine Situation jedenfalls so schwierig, dass ich mich in einer Art Trotzreaktion entschied, gleich beide Ohren mit einem CI versorgen zu lassen. Ganz oder gar nicht, dachte ich mir.
6. Wie wurdest du von Ärzten, Freunden oder der Familie unterstützt?
Meine Eltern haben mich in der ganzen Zeit nie zum CI gedrängt, sie haben an mich geglaubt, egal, was ich machen würde. In der Uniklinik Mainz wurde ich sehr professionell und bei angenehmer Atmosphäre zum CI untersucht und beraten. Nach der Operation haben meine Familie und Freunde sich sehr verständnisvoll verhalten, deutlich mit mir gesprochen und mir beispielsweise immer SMS geschickt, statt mich anzurufen.
7. Wie erging es dir nach der Implantation?
Ich wurde im November 2016 implantiert und schon wenige Tage nach der Operation wurden die CIs eingeschaltet. Es hieß „Wir testen nur die Elektroden“ und man sagte mir, ich solle ja nicht zu viel erwarten. Ich hatte natürlich selbst schon gelesen, dass nicht jeder sofort ein tolles Ergebnis hat – doch insgeheim hoffte ich die ganze Zeit, dass ich eine Ausnahme sein könnte. Und tatsächlich ging ich an diesem Tag mit einem riesigen Lächeln nach Hause: Plötzlich konnte ich mich wieder unterhalten und habe sogar einen Kugelschreiber klicken hören. Es war unglaublich.
8. Wie hast du danach am Hören gearbeitet?
Ich bin ein sehr ehrgeiziger Mensch und wollte darum unbedingt Fortschritte machen. Direkt nach dem Einschalten der Prozessoren habe ich mit Apps und Musikprogrammen auf meinem Handy geübt, das war manchmal gar nicht so einfach und erforderte viel Disziplin und Durchhaltevermögen. Auch nach der Reha habe ich eigenständig mit Hörprogrammen und -büchern weiter geübt.
9. Was hat sich seit deiner Implantation verändert? Was genießt du am meisten am wieder Hören?
Ich kann mittlerweile meinen Alltag und mein Berufsleben wieder super bewältigen wozu auch das Telefonieren zählt. Auch Gruppendiskussionen kann ich gut folgen und mich dementsprechend einmischen. Am Meisten genieße ich aber die einfachen Dinge im Leben: wie studenlang, ohne Anstrengung mit einer guten Freundin zu quatschen und die ersten Wörter meines Patenkinds zu verstehen. Was am erstaunlichsten ist: Mein Tinnitus, der mich jahrelang geplagt hat, ist endlich weg!
10. Was möchtest du Betroffenen und ihren Angehörigen mit auf den Weg geben?
Habt Mut zum CI – es ist ein Stück Lebensqualität. Auch wenn der Erfolg mit CI ganz individuell ist, habe ich bis jetzt noch keinen CI-Träger getroffen, bei dem sich durch das CI das Hören nicht verbessert hat. Außerdem würde ich eine Reha, wie ich sie machen durfte, allen Betroffenen unbedingt empfehlen. Das war eine ganz tolle Erfahrung: Endlich war ich unter Gleichgesinnten, das Thema CI war hier kein Tabu. Von den anderen bekam ich sehr viele gute Tipps und habe Freundschaften geschlossen. In so einer Reha hat man genügend Zeit zum Üben und kann sich ganz bewusst mit dem Hörenlernen auseinandersetzen.
Bildnachweis: Alex Berninger