aus München (Deutschland)
Beidseitig implantiert
Cochlea-Implantatbenutzer
Schwerer Hörverlust seit Geburt
Schüler
Erfahrungsbericht Nicolas
Nicolas, 16 Jahre aus München ist zusammen mit seinen Eltern Botschafter der Initiative. Mit 13 Monaten bekam er sein erstes Cochlea-Implantat auf der linken Seite und mit 2,5 Jahren das zweite auf der rechten Seite.
Nicolas mit Familie ist Botschafter weil:
Als bei unserem Sohn Nicolas eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit diagnostiziert wurde, war der Informationsbedarf sehr groß für uns. Wir wussten rein gar nichts über die Möglichkeit von Implantaten. Deshalb möchten wir unseren Teil dazu beitragen, die Menschen über das Thema Hörverlust zu informieren und unsere Erfahrungen teilen. Wir wünschen uns, dass Initiativen wie Endlich Wieder Hören es schaffen, mehr auf das Thema aufmerksam zu machen.
- 1. Wie stark ist der Hörverlust? Wann und warum ist der Hörverlust aufgetreten?
Vier Monate nach der Geburt hat die Kinderärztin die Standard-OAE-Messungen vorgenommen, die in der Geburtsklinik nicht durchgeführt worden waren. Wir hatten bis zu diesem Zeitpunkt nicht gemerkt, dass etwas nicht stimmte. Unsere Kinderärztin hat das Messergebnis zum Glück ernst genommen und uns an einen Facharzt überwiesen. Nach vier Wochen stand die Diagnose fest: eine beidseitige, an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit. Nicolas war wohl von Geburt an gehörlos gewesen. Die Gründe hierfür wissen wir nicht. Es liegen keine der häufigsten Gendefekte und keine Krankheiten als Ursache vor. - 2. Wie habt ihr den Hörverlust als Familie empfunden?
Da Nicolas noch ein Baby war, ist bei ihm selbst der Schockeffekt ausgeblieben. Für uns als Familie ist eine Welt zusammen gebrochen. Vor allem, da wir beim zweiten Kind insgesamt viel entspannter gewesen waren. Eine der Großmütter hat sich sofort bei einem Gebärdenkurs angemeldet, weil die Situation für sie eindeutig war: Nicolas war gehörlos und so würde es auch bleiben. Als wir von der Option Hörimplantat hörten, keimte langsam wieder Hoffnung, unser Kind doch am Leben in der hörenden Welt teilhaben lassen zu können. - 3. Wie wurdet ihr von Ärzten, Freunden oder der Familie unterstützt?
Von der Familie und Freunden wurden wir sehr unterstützt, was uns geholfen hat, die schwere Zeit durchzustehen. Alle haben uns immer wieder ermutigt, nicht aufzugeben. Die moralische Unterstützung war für uns in dieser Ausnahmesituation besonders wichtig, da wir dadurch das Gefühl hatten, nicht alles alleine bewältigen zu müssen. Aber auch die betreuenden Ärzte, welche die Operationen durchgeführt haben, haben vorbildlich reagiert, uns immer unterstützt und geholfen, alle nötigen Schritte in die Wege zu leiten. - 4. Wann und wie habt ihr von der Möglichkeit eines Hörimplantats erfahren?
Kurz nach der Diagnose haben wir bereits von der Option der Implantation erfahren. Daraufhin haben wir an einem „Tag des Hörens“ teilgenommen, wo wir einen alten Schulkollegen getroffen haben, der sich in diesem Fach auskannte und uns konkrete Tipps und Einblick hinter die Kulissen geben konnte. Das war der Moment, der uns Sicherheit und Vertrauen gegeben hat, dass Cochlea-Implantate die richtige Lösung für Nicolas waren. - 5. Wie habt ihr den Moment erlebt, als euch bewusst wurde, dass Nicolas wieder hören konnte?
Als das erste Signal vom Prozessor an das Cochlea-Implantat gesendet wurde, hat Nicolas die Augen aufgeschlagen und Blickkontakt zu uns gesucht. Das war ein sehr emotionaler Moment für uns und ein Stein ist uns vom Herzen gefallen. In diesem Augenblick wussten wir, dass sich die ganzen Strapazen gelohnt hatten. Wir haben in dem Moment pures Glück empfunden. - 6. Wie wirkt sich das Thema Hörverlust auf den Alltag von Nicolas aus?
Grundsätzlich kann Nicolas ein ganz normales Leben führen. Nur in manchen Situationen zeigt sich, dass die CIs seinen Alltag minimal beeinträchtigen. Beispielsweise ist es nicht ratsam, Sportarten auszuüben, bei denen er viel schwitzt. Die Feuchtigkeit kann ja in den Prozessor eindringen und das führt zu Defekten. Nicolas trägt allerdings immer ein Stirnband beim Sport. Momentan macht ihm die Fecht-AG in der Schule viel Spaß und zum Schwimmen geht er auch gerne. Im Wasser muss er die Prozessoren natürlich abnehmen. - 7. Welche Reaktionen erfährt Nicolas in der Schule?
Natürlich haben wir uns im Vorfeld auch gefragt, ob Nicolas in einer normalen Schule zurechtkommen wird. Da wir von München nach Jena gezogen sind, haben wir zwei unterschiedliche Erfahrungen mit Grundschulen gemacht. In München hat Nicolas‘ Klassenlehrer offen und unterstützend reagiert und das Ganze nicht als Problem gesehen. Nachdem er sehr gute Noten im Diktat bekommen hat, war klar, dass er alles versteht und dem Unterricht wie jeder andere Schüler folgen kann. Für den Fall, dass er etwas nicht versteht, hat er mit dem Lehrer ein Geheimzeichen vereinbart, wovon er aber nur selten Gebrauch machen musste. In der Schule in Jena bestand mehr Erklärungsbedarf, da die Schule noch keine Erfahrung mit hörbeeinträchtigten Kindern hatte. Allerdings waren alle auch dort sehr offen und sofort bereit, sich zu informieren und Nicolas zu integrieren. Wir haben vor dem Lehrerkollegium einen Vortrag gehalten, um über das Thema aufzuklären und allen zu verdeutlichen, dass Nicolas zwar eine Hörschädigung hat, aber ansonsten ein völlig normales Kind ist. - 8. Wie erging es Nicolas nach der Implantation? Was habt ihr beobachtet?
Für uns war es sehr erstaunlich, wie sehr Nicolas als Baby darauf reagiert hat, wenn die Batterien des Cochlea-Implantats leer waren. In dieser Situation hat er sofort den Prozessor vom Ohr genommen und diesen als Schnullerersatz benutzt. Er hat sich also bereits als Kleinkind, als er noch nicht sprechen konnte, den Umständen wohl unbewusst angepasst. - 9. Was möchtet ihr Betroffenen und Angehörigen mit auf den Weg geben?
Unsere Erfahrungen zeigen, dass es wichtig ist, die richtigen Ärzte zu finden. Viele sind über die Möglichkeiten bei einem Hörverlust nicht ausreichend informiert. Zudem sollte man sich wirklich die Zeit nehmen und intensiv selber recherchieren: Das Internet bietet mittlerweile viele seriöse Informationsplattformen. Auch über Verbände, Selbsthilfegruppen und Kliniken kann man sich sehr gut informieren. In einer solchen Situation ist es wichtig, dass man sich nicht entmutigen lässt und dranbleibt. So groß der Schock nach der Diagnose Hörverlust auch ist, die Situation ist nicht so hoffnungslos wie sie zunächst scheint.