aus Berlin (Deutschland)
Beidseitig implantiert
Mittelohrimplantatnutzer
Krankheit
Kommunikationstrainer
Lutz, 59 Jahre aus Berlin ist Kommunikationstrainer, Handelsvertreter und Science Fiction Autor.
Seit Dezember 2011 trägt er rechts eine Vibrant Soundbridge. Im Dezember 2013 bekam er eine zweite Soundbridge links.
Lutz ist Botschafter weil:
Für mich war es das Größte, wieder richtig hören zu können. Ich möchte Betroffenen Mut machen, sich für ein Hörimplantat zu entscheiden und sich einer OP zu unterziehen. Zudem besteht noch ein großer Aufklärungsbedarf über das Thema Hörverlust in der Öffentlichkeit. Als Botschafter möchte ich mit meinen Erfahrungen dazu beitragen, diese Situation zu ändern.
Erfahrungsbericht Lutz
1. Wie stark ist dein Hörverlust? Wann und warum ist dein Hörverlust aufgetreten?
Mit sechs Jahren war ich in kaltem Wasser schwimmen. Das Ergebnis war eine beidseitige Mittelohrentzündung, die zu spät erkannt worden ist. Diese war so gravierend, dass beide Trommelfelle geplatzt sind. Da ich noch in der Wachstumsphase war, beschlossen die Ärzte, mit einer OP zu warten, bis ich volljährig war. Bis dahin habe ich mit Löchern im Trommelfell gelebt. Der Hörverlust war ein schleichender Prozess, der im Laufe der Jahrzehnte immer schlimmer geworden ist. Trotz mehrerer OPs konnten die Trommelfelle nicht geschlossen werden. Mit Anfang 40 kam der Tinnitus hinzu, der schließlich unerträglich geworden ist.
2. Wie hast du persönlich den Hörverlust empfunden?
Zu Beginn bemerkten weder meine Familie noch ich den Hörverlust. Zudem eignete ich mir unbewusst Techniken an, um Gespräche kontrollieren zu können. Ich wollte, dass niemandem auffällt, dass ich Verständigungsprobleme hatte. Unterhielt ich mich mit mehreren gleichzeitig, konzentrierte ich mich immer automatisch auf eine Person, über die ich das Gespräch gesteuert habe. Während meiner Kindheit gab es zwar Anzeichen, dass ich Hörprobleme hatte, diese wurden aber nicht als besonders schlimm wahrgenommen, da andere Kinder teilweise die gleichen Schwierigkeiten hatten. Diese litten genau wie ich an Mittelohrentzündungen oder waren schlecht in Fremdsprachen. Insbesondere ist mir der Hörverlust bewusst geworden, als ich merkte, dass ich große Schwierigkeiten hatte, meinen Beruf als Kommunikationstrainer auszuüben. Ich stand vor einer Gruppe und war nicht in der Lage, die Kommentare zu verstehen; geschweige denn zu lokalisieren, wer aus der Gruppe eine Frage an mich gerichtet hatte.
3. Wie wurdest du von Ärzten, Freunden oder der Familie unterstützt?
Aufgrund der Löcher in meinen Trommelfellen musste ich mich Operationen unterziehen. Dabei wurde ich stets von meiner Familie und Freunden unterstützt. Kurz nachdem ich von der Option eines Hörimplantats erfahren habe, entschloss ich mich auch schon dafür. Die Ärzte und das Personal haben sich gut um mich gekümmert, mich hervorragend über alles Nötige informiert und mir eine klare Prognose gegeben.
4. Wann und wie hast du von der Möglichkeit eines Hörimplantats erfahren?
2011 wurde ich mit Verdacht auf Herzinfarkt ins Krankenhaus eingeliefert. Obwohl keine Ursache gefunden wurde, hat mein behandelnder Arzt nicht locker gelassen und mich schließlich wegen meines akuten Tinnitus zu einem Spezialisten überwiesen, der mir gleich von der Möglichkeit eines Hörimplantats berichtet hat.
5. Was ist für dich das Schönste am Wieder-hören-können?
Nachdem der erste Prozessor zum ersten Mal eingeschaltet wurde, war ich ganz überrascht, wie gut ich Geräusche wieder wahrnehmen konnte. Ich bin raus auf die Straße vorm Krankenhaus gegangen und habe seit langem die Vögel wieder richtig singen gehört. Für mich ist das ein Geschenk, und ich zelebriere das Hören jeden Morgen. Ich schalte den Prozessor ein und lausche erst einmal dem Vogelgezwitscher bevor ich in den Tag starte. Zudem lerne ich jetzt Englisch. In der Schule war ich so schlecht in dem Fach, weil es mir große Schwierigkeiten bereitet hat, die Sprache zu verstehen und zu sprechen. Ich bin mittlerweile in der Lage zum Beispiel BBC Radio im Auto zu hören.
6. Wie hat sich das Thema Hörverlust auf dein Leben und deine Karriere ausgewirkt? Was hat sich durch das Implantat verändert?
Da ich jetzt in der Lage bin, ganz normal Gespräche zu führen und Geräusche zu hören sowie zu lokalisieren, habe ich den Einstieg als Kommunikationstrainer wieder gewagt. In der Branche erneut Fuß zu fassen, braucht nach langer Pause seine Zeit. Ich baue mir momentan mein Netzwerk auf und versuche so neue Aufträge zu bekommen.
7. Wie erging es dir nach der Implantation?
Ich habe unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Auf dem rechten Ohr ist der Rehabilitationsprozess absolut problemlos und schnell verlaufen. Links hat es etwas länger gedauert. Auf dieser Seite ist die Knochenleitfähigkeit nicht so gut wie in dem rechten Ohr, und es kam anfänglich zu Überlagerungen von Vibrationen. Zuerst war ich darüber etwas überrascht und auch enttäuscht, die Ärzte haben mir aber stets Mut gemacht. Nach ein paar Wochen konnte ich eine deutliche Verbesserung erleben. Auch wenn manche zu Beginn Schwierigkeiten haben, sollten sie nicht den Mut und die Geduld verlieren.
8. Was möchtest du Betroffenen und Angehörigen mit auf den Weg geben?
Das Thema Hörverlust muss in der Öffentlichkeit präsenter werden, es darf kein Tabuthema mehr sein. Richtiges Hören ist entscheidend für die sozialen Kontakte. Zum einen ist es für Betroffene schwer, sich dem Problem zu stellen; zum anderen aber auch die nötige Aufmerksamkeit in Gesprächen und im Umgang mit Menschen zu bekommen. Gibt es nicht das nötige Bewusstsein für den Hörverlust, kommt es zu erheblichen Missverständnissen im sozialen oder beruflichen Umfeld. Meine Erfahrung ist, dass ich mir oftmals nicht bewusst war, wie ich mit dem Hörverlust auf andere wirke. Wäre ich offener damit umgegangen, hätte ich es vielleicht einfacher gehabt. Nun macht mir die Interaktion mit Menschen wieder richtig Spaß, gerade auch in Gruppen, wo die Gespräche sehr schnell wechseln und recht dynamisch verlaufen. Das ist etwas, wofür es sich lohnt zu kämpfen.