Ein Hörinfarkt kommt aus dem Nichts und ist ein medizinisches Mysterium. Zum Glück heilt er meist aus – wenn nicht, kann ein CI notwendig werden. Eine Betroffene schildert, wie sie ihren Hörsturz erlebt hat.
Die Taubheit kam aus dem Nichts: Kurz vor Weihnachten im Jahr 2013 war Barbaras rechtes Ohr plötzlich gefühllos. Ihr schwindelte, sie kam kaum aus dem Bett und drohte sofort wieder umzukippen. „Ich konnte den ganzen Tag nur noch liegen bleiben,“ erinnert sich die 59 Jahre alte Ernährungsberaterin.
Weil sie allein zuhause war, merkte sie erst später, dass ihr noch etwas fehlte: Auf dem betroffenen Ohr hörte sie nichts mehr. „Ich ahnte, dass es ein Hörsturz sein könnte, weil Bekannte von mir schon Ähnliches erlebt hatten“, sagt die Betroffene. Ihr Vorwissen half ihr in der Situation jedoch wenig:
„Es war das Schlimmste, was ich je hatte.“
Behandlung mit Kortison ist üblich
„Es wird beim Hörsturz ein gewisser Zusammenhang mit Stress vermutet, aber das ist nicht belegt“, sagt Stöver. Ärzte können daher nur allgemeine Empfehlungen zum Ohrschutz oder der gesunden Lebensführung geben. „Dinge, die wir jedem Menschen raten würden“, sagt Dr. Stöver.
Als Ernährungsberaterin machte Barbara gesundheitlich immer schon Vieles richtig. Und da sie selbst ein Medizinstudium fast abgeschlossen hat, wusste sie auch nach einiger Recherche bald, dass die Therapie des Hörsturzes ebenso unklar ist wie seine Ursachen.
„Nach den Weihnachtsfeiertagen bin ich natürlich trotzdem zum HNO-Arzt gegangen, um Hörtests zu machen“, sagt sie. Tatsächlich war sie auf dem rechten Ohr fast gehörlos. Nach Hause ging sie mit Kortison in Tablettenform. „Ich war nicht glücklich damit, da ich das Gefühl hatte, nach Schema F behandelt worden zu sein.“
Momentan ist Kortison noch die wichtigste Behandlungsmethode beim Hörsturz. Das Medikament soll mögliche Entzündungen im Innenohr lindern und abschwellend wirken. Die Therapie mit hochdosierten Glukokortikoiden wird von der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde vorrangig empfohlen. Allerdings unter dem Vorbehalt, dass dieses Vorgehen vor allem auf Erfahrungswerten beruht.
In Deutschland übernehmen manche Krankenkassen wegen der schlechten Studienlage selbst diese Leistung nicht, was viele HNO-Spezialisten kritisieren, da sie in diesem Fall ihren Patienten keine kostenfreien Alternativen anbieten können.
„Das halten Sie nicht lange aus.“
Der psychologische Leidensdruck sei beim Hörsturz mitunter enorm, sagt Dr. Stöver. „Stellen Sie sich vor, Sie müssten auf einer Seite einen Ohrstöpsel tragen und dürften ihn nicht mehr rausnehmen: Da werden Sie fast verrückt, das halten Sie nicht lange aus.“
Für die selbstständig berufstätige Barbara war der einseitige Hörverlust jedoch weniger schlimm als ihre Schwindelgefühle:
„Ich hab so das Gleichgewicht verloren, dass es mich buchstäblich aus dem Leben geschmissen hat.“
Angst, dass ihr Hörsturz nie wieder weggehen könnte, hatte sie aber nicht. Und wirklich, nach einigen Wochen heilte das Ohr aus und sie hört heute wieder normal gut; was ihr der HNO-Arzt auch mit einem zweiten Hörtest bestätigt hat. „Ich bin allerdings sehr lärmempfindlich geworden. Ein halbes Jahr lang habe ich extrem laut gehört“, sagt sie. Leichter Schwindel blieb ihr noch mehrere Monate erhalten und schrille Töne bereiten ihr auch heute noch richtige Schmerzen.
Wer dauerhaft nicht hört, kann ein CI bekommen
Barbara hatte jedoch Glück, denn sie kann wieder hören: „In etwa 65 Prozent der Fälle gibt es so eine spontane Heilung“, sagt Dr. Thomas, der Otologe aus Bochum. „Allerdings ist die Prognose bei vollständigem Hörverlust deutlich schlechter.“ In elf bis dreißig Prozent der Fälle führe ein Hörsturz dann zu einem dauerhaften, hochgradigen Hörverlust.
Unter seinen CI-Patienten sind Hörsturz-Betroffene dennoch eher eine Minderheit. „Auch Hörgeräte sind in diesem Fall mitunter gut für die Versorgung geeignet, obwohl der Höreindruck danach nicht wie früher ist“, sagt Thomas.
Dr. Stöver würde bereits ab drei Monaten nach einem Hörsturz über eine CI-Operation nachdenken, falls keine Besserung eintritt.
„Man kann diese Patienten sehr gut versorgen“, sagt er. „Denn bis zum Hörsturz konnten sie ja normal hören.“
Wer nur kurz ertaubt sei, könne mit einem CI deshalb sehr schnell wieder an früheres Sprachverstehen anknüpfen, sagt auch Dr. Thomas. „Die zentrale Abbildung des Hörens ist noch vollständig vorhanden.“ Und auch die Motivation, wieder normal hören zu können, sei dann besonders groß.
Barbara hat in den vergangenen Jahren ihre eigenen Maßnahmen getroffen: „Wenn ich merke, dass mein Ohrläppchen wieder schlecht durchblutet ist, ist das für mich ein Warnzeichen“, sagt sie. „Dann schalte ich sofort einen Gang runter und erhole mich.“ Einen Hörsturz will sie nicht mehr riskieren.