Winfried Federbusch ertaubte plötzlich am rechten Ohr. Sein beruflicher und privater Alltag gestaltete sich mit einem Male schwieriger, doch ein Cochlea-Implantat ermöglicht ihm wieder eine gelungene Teilnahme am Leben in der hörenden Welt.
„Es fühlte sich bedrohlich an, auf einem Ohr nichts mehr hören zu können“, erinnert sich Winfried Federbusch an jene Zeit vor 6 Jahren zurück, als er plötzlich am rechten Ohr ertaubte. Das war im Dezember 2014, die Ursache für seinen Hörsturz blieb längere Zeit unklar. Mit gleichzeitig auftretenden Gleichgewichtsstörungen wurde der damals 44-jährige an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) stationär aufgenommen. Schon bei seiner Entlassung empfahl ihm die Primaria der HNO-Abteilung ein Cochlea-Implantat (CI).
Winfried Federbusch hoffte, dass sein Gehör ebenso wieder zurückkehren würde, wie es sein Gleichgewichtssinn getan hatte. Leider war das nicht der Fall. „Beim Gedanken, dass ich am Schädel operiert werden sollte, überkam mich ein mulmiges Gefühl. In meinem ganzen Leben wurde ich nämlich bis dahin erst einmal operiert“, erzählt er.
Trotz der Skepsis seines niedergelassenen HNO-Arztes entschied sich der Heilerziehungspfleger zwei Jahre später zur Versorgung mit einem Cochlea-Implantat. „Das Hörgerät, das ich in der Zwischenzeit trug, reichte einfach nicht aus. Ich war immer ein akustisch fokussierter Mensch, konnte mit geschlossenen Augen auch auf Entfernung einen prellenden Ball orten. Doch seit meiner Erkrankung fehlte mir das räumliche Hören. Vor allem bei meiner Arbeit mit Menschen mit geistiger Behinderung brauchte ich ein gutes Hörvermögen. Ausspracheprobleme, schwierige Gesprächs- und Besprechungssituationen, häufiges Nachfragen und überprüfen, ob ich richtig verstanden hatte, all das strengte mich sehr an. Ich ermüdete wesentlich schneller.“ Die Dauer der Taubheit möglichst kurz zu halten, war ihm wichtig.
Zwei Jahre nach dem plötzlichen Hörverlust wagte Winfried Federbusch den Schritt zum Cochlea-Implantat. Die Operation dauerte weniger als zwei Stunden. „Man merkt die jahrzehntelange Erfahrung und Routine der MHH mit Cochlea-Implantationen“, zeigt er sich beeindruckt. Gleich am Tag nach dem Eingriff konnte der Frischoperierte – ähnlich wie seine ebenfalls mit CI versorgten Zimmerkollegen – wieder aufstehen und umhergehen.
Wenige Wochen später erfolgte die Erstanpassung. Das neue Hören war ein Aha-Erlebnis für den Neo-CI-Nutzer. Bekannte Stimmen hörten sich anfangs ungewohnt an, doch das änderte sich bald. Das Klirren, das er im Freien hörte und nicht zuordnen konnte, identifizierte er mithilfe seiner Augen als Amsel. Regelmäßiges Hörtraining trug wesentlich zum raschen Erfolg bei. Sehr schnell konnte Winfried Federbusch Silben, Wörter und Sätze richtig verstehen. Er schreibt dies dem guten Hörgedächtnis zu, das aufgrund der Kürze der Taubheit noch vorhanden war.
Eine witzig-interessante Begebenheit kurz nach der Anpassung blieb dem heute Fünfzigjährigen im Gedächtnis. „Nach einer Anpassung vergaß die Audiologin, meinen Audioprozessor vom Telespulen-Programm auf das Normalprogramm umzustellen. Auf dem Nachhauseweg dachte ich, ich sei Star Wars entsprungen. Die Oberleitung der Straßenbahn, Leuchtstoffröhren, sogar die elektrische Handbremse im Auto, alles surrte wie Laserschwerte.“ Das Star Wars-Erlebnis fand ein Ende, als Winfried Federbusch auf das Normalprogramm zurückwechselte. „Wenn ich nicht mehr arbeite, werde ich Wünschelrutengänger und spüre jedes elektromagnetische Feld nur mit meinem Gehör auf!“, meint der Niedersachse scherzend.
Nach rund 4 Jahren mit seinem Cochlea-Implantat hat Winfried Federbusch seine Hörbalance wiedergefunden. Seine Familie, sein Freundeskreis, aber auch die ArbeitskollegInnen zeigten sich in all den Jahren seit der Ertaubung achtsam und kooperativ. Das begann beim Minimieren von Hintergrundgeräuschen, einer geänderten Sitzordnung am Esstisch und akustisch optimierten, weniger hallenden Räumen zuhause und am Arbeitsplatz. Nur manchmal vergisst sein Umfeld auf die Hörbeeinträchtigung. Hören und verstehen, während gleichzeitig mit Geschirr geklappert wird, wenn mehrere Personen im Raum sind oder die Gesprächsdisziplin zu wünschen lässt, ist für Winfried schwieriger als früher. Dann weist er seine Kommunikationspartner auf seine eingeschränkte Hörfähigkeit hin. Sein Rat an andere Betroffene: „Haben Sie den Mut, den Mund aufzumachen und andere Menschen über Ihr CI aufzuklären!“
In schwierigen Hörsituationen verwendet der ehrenamtliche Diakon im Zivilberuf externe Hilfsmittel, konkret die Roger Konferenzlösung von Phonak. „In Kirchen, Museen und bei Vorträgen, überall, wo Telespulen im Einsatz sind, höre ich glasklar. Wahrscheinlich verstehe ich die Predigten sogar besser als manche Kirchbesucher ohne Hörprobleme“, lacht er.
Kein Nachteil also, wo nicht auch ein Vorteil ist. Dieser Optimismus kommt bei Winfried Federbusch immer wieder deutlich zum Vorschein. Sein Ehrenamt betreibt er aus tiefer Überzeugung, lebt den Glauben, begleitet Menschen in Freud und Leid. „Ich will mich nicht auf mein eigenes Leid beschränken, sondern das Positive sehen, zeigen, was alles noch möglich ist,“ möchte er mit seiner Zuversicht auch anderen Menschen Mut machen.
Mittlerweile steht auch die Ursache für Winfried Federbuschs einseitige Ertaubung fest. Eine neurologische Erkrankung lag ihr zugrunde, die seit mehreren Jahren auch regelmäßige Magnetresonanzuntersuchungen notwendig macht. Die Tatsache, dass sein Implantat für MRT-Geräte bis 3 Tesla zugelassen ist, ohne dass der interne Magnet entfernt werden muss, erwies sich als Glücksfall. Es bedurfte trotzdem einiger Geduld, bis er zwei radiologische Praxen gefunden hatte, die CI-Nutzer nicht von vornherein ablehnten. „Wenn die MR-Untersuchung gut vorbereit ist, läuft sie angstfrei und liefert zufriedenstellende Ergebnisse. Ich erkläre der Assistentin genau, was ich zur Absicherung meines Implantats benötigte. Es klappt jedes Mal, und ich hatte mit dem CI bestimmt schon ein Dutzend MRT-Untersuchungen, auch bei 3 Tesla.“
Winfried Federbusch ist dankbar, dass er mit seinem Hörimplantat wieder gut an der hörenden Welt teilhaben kann. Seinen akustischen Fokus von früher kompensiert er mittlerweile visuell, beobachtet die Umgebung viel genauer und geht anders durch die Welt. Ermutigt durch alles, was noch möglich ist und als Mutmacher für ähnlich Betroffene.