Wer schlecht hört, der braucht ein Hörgerät, im Extremfall ein Hörimplantat und dann ist alles wieder wie früher. Das glauben viele. Doch so einfach ist es nicht. Für viele Hörsituationen braucht es Zusatztechnik. Fragt sich, was es gibt und wer sich an den Kosten beteiligt. Eine Übersicht für Deutschland.
Von unserem Hörbotschafter Torsten
Schwerhörigkeit und erst recht Gehörlosigkeit sind eine Behinderung; Hörgeräte, Implantate, aber auch bestimmtes technisches Zubehör sind notwendige Hilfsmittel, diese Behinderung auszugleichen. So steht es auch im Gesetz. Hier eine Übersicht darüber, was Kostenträger wie Krankenkassen oder Rentenversicherung finanzieren müssen.
Für folgende Geräte, und nur für diese, können Betroffene in Deutschland finanzielle Hilfe erhalten:
- Hörgeräte und Implantate
- Zubehör für Hörgeräte und Implantate
- FM-Anlagen
- Lichtwecker mit Vibrationsalarm
- Lichtsignalanlage
- Klingel- und Telefonsensor
- Rauchmelder
Hörgeräte und Implantate: Eine Versorgung mit zum Beispiel Cochlea-Implantaten schlägt einschließlich Rehabilitations-Maßnahmen mit rund 40.000 Euro zu Buche und wird in der Regel komplett von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Voraussetzung für eine Kostenübernahme ist immer eine medizinische Indikation, die vorher in vielen verschiedenen Untersuchungen überprüft wird. Die Finanzierung durch private Krankenkassen ist dagegen sehr oft Verhandlungssache. Auch die Kosten für zum Beispiel Batterien werden gemäß § 27 ff. SGB V von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet, in den meisten Fällen nicht aber von privaten Krankenkassen.
Bei Hörgeräten ist es etwas komplizierter. Die gesetzliche Krankenversicherung verpflichtet die Hörgeräteakustiker, seinen gesetzlich versicherten Kunden mindestens ein Gerät anzubieten, dessen Kosten vollständig von den Krankenkassen übernommen werden. Der Festbetrag der gesetzlichen Krankenkasse für die Versorgung mittel- und hochgradig schwerhöriger Personen ab dem vollendeten 18. Lebensjahr liegt für ein Hörgerät bei 784,94 Euro. Der Abschlag für das zweite Hörgerät bei beidseitiger Versorgung beträgt 156,99 Euro. Insgesamt zahlt die Kasse für zwei Hörgeräte also bis zu 1.412,89 Euro. Der Festbetrag für an Taubheit grenzend Schwerhörige beträgt seit März 2012 für das erste Hörgerät 841,94 Euro. Für das zweite Gerät bei beidseitiger Versorgung beträgt der Abschlag 20 Prozent. Unabhängig vom Grad des Hörverlustes: Wer ein teureres Gerät haben möchte, muss die Differenz aus eigener Tasche zahlen.
Ausnahme: „Die Krankenkassen sind verpflichtet, auch höhere Kosten für Hörgeräte zu erstatten, wenn die Festbeträge nachweislich nicht ausreichen“, erklärt Drews. Voraussetzung ist ein ärztliches Attest mit schriftlicher Begründung für die medizinische Notwendigkeit. Außerdem verlangen die Kassen regelmäßig, dass der Hörgeschädigte die Notwendigkeit teurerer Geräte über die Führung eines Hörtagebuches nachweist. Dabei rät Jörg Winkler vom Hörberatungs- und Informationszentrum in Hamburg dazu, den Antrag nicht über einen Hörgeräteakustiker, sondern selbst bei der Krankenkasse einzureichen. Gesetzliche Kassen finanzieren darüber hinaus alle sechs Jahre ein neues, moderneres Hörgerät. Die Kosten für Batterien werden grundsätzlich nur für Versicherte bis zum 18. Geburtstag erstattet.
Anders als bei den gesetzlichen Kassen erhalten privat Versicherte keinen Festbetrag für Zuschüsse, die Höhe wird individuell zwischen Patienten und privater Krankenversicherung vereinbart.
FM-Anlagen: Akustisch schwierige Hörsituationen sind extreme Herausforderungen für hörgeschädigte Menschen. Damit man auch in solchen Situationen Gesprächen weiter folgen kann, kommen moderne drahtlose Übertragungsanlagen, auch FM-Anlagen genannt, zum Einsatz. Sie sorgen für besseres Verstehen bei Hintergrundgeräuschen etwa im Auto oder im Restaurant, machen Verstehen über Distanzen etwa im Hörsaal, im Büro oder bei Veranstaltungen sowie die Verbindung mit Audioquellen wie Radio und Fernsehen möglich. FM-Systeme sind kompatibel mit den meisten Cochlea-Implantaten und Hörgeräten. Technisch betrachtet ist die Sache simpel: Die sprechende Person trägt ein Sendermikrofon um den Hals oder am Kragen der Jacke befestigt, hält es in der Hand oder man platziert es in der Mitte einer Gruppe. Der Sender lässt sich auch mit dem TV-Gerät koppeln. Der Hörgeschädigte wiederum trägt wie bei einem Walkie-Talkie das Empfangsgerät etwa um den Hals oder in der Hand. Die Übertragung des Signals erfolgt dann per Funk und wird vom Empfangsgerät direkt an das Hörsystem des Empfängers weitergeleitet. So ist Verstehen auch in anspruchsvollen Hörsituationen möglich.
Lichtsignalwecker: Morgens rechtzeitig aus dem Bett zu kommen, ist auch für Menschen mit funktionierendem Gehör nicht immer einfach. Vor allem im Herbst und im Winter, wenn es morgens noch dunkel ist, fällt es Langschläfern besonders schwer. Noch schlechter dran sind Hörgeschädigte, vor allem, wenn sie ohne Hörhilfe ins Bett gehen. Leicht wird dann der Wecker überhört. Abhilfe schaffen spezielle Wecker für Schwerhörige und Ertaubte. Sie wecken zwar auch mit einem lauten akustischen Signal, zusätzlich aber mit Vibrationsalarm und Lichtblitzen. Wem das nicht reicht, kann ein zusätzliches Vibrationskissen am Bettgestell befestigen. Davon werden selbst Bären wach, die sich im Winterschlaf befinden. Übrigens: Lichtsignalwecker und Vibrationskissen gibt es auch für die Reise, wobei der Strom dann nicht aus der Steckdose, sondern aus Batterien kommt. Lichtsignalwecker und Vibrationskissen sind im Hilfsmittelverzeichnis der Krankenkassen aufgeführt. Voraussetzungen für eine Kostenbeteiligung ist eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit oder Ertaubung sowie eine Verordnung des Arztes.
Blitzlampen: Seit dem Jahre 2010 ist gesetzlich klar geregelt: Wer schwerhörig ist, hat einen Anspruch auf Lichtsignalanlagen, sofern man trotz Hörgerät oder Implantat nicht imstande ist, die Türglocke einwandfrei wahrnehmen zu können. Der Blitz dieser Lampen ist extrem hell und auch bei Sonneneinstrahlung klar zu erkennen. Auch hier ist die Technik einfach: Kabel der Lampe in die Steckdose und fertig. Die Lampen verbinden sich automatisch mit dem Lichtsignalwecker, der hier quasi zur Alarmzentrale wird.
Voraussetzungen auch hier: eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit oder Ertaubung sowie eine Verordnung des Arztes.
Signalgeber für die Türklingel: Das Gerät besteht aus einem Mikrofon, das in unmittelbarer Nähe zur Türglocke befestigt wird, sowie aus einem kleinen Funksender in der Größe einer Zigarettenschachtel. Den Strom liefern meist Batterien, die sich im Funksender befinden. Auch der Signalgeber für die Türklingel verbindet sich automatisch mit dem Lichtsignalwecker. Das heißt, auch wenn es in der Nacht an der Tür läutet, wird der Hörgeschädigte sicher per Lichtsignal und Vibration informiert.
Rauchwarnmelder: Wie schnell ist es passiert: Eine glimmende Zigarette im Aschenbecher oder eine brennende Kerze, die man vor dem Schlafengehen vergessen hat zu löschen und schon entwickelt sich ein Schwelbrand, der leicht die ganze Wohnung in Brand setzt. Die überwiegende Mehrheit der Brandtoten fällt nachts dem Feuer zum Opfer. Der Tod kommt dann auf leisen Sohlen, weil 95 Prozent an den Folgen einer Rauchvergiftung, nicht am Feuer selbst sterben. Die Lösung: Rauchmelder. Sie schlagen Alarm, sobald sie Rauch registrieren. Wer davon nichts mitbekommt, also von den inzwischen obligatorischen Rauchmeldern in Wohnräumen nicht geweckt wird, hat schlechte Karten. Damit auch gehörlose oder schwerhörige Menschen mitbekommen, wenn Gefahr droht, gibt es spezielle Rauchmelder. Ein im Gerät befindlicher Sender sendet ein Signal an den Lichtsignalwecker. Dieser wiederum schlägt augenblicklich Alarm und setzt auch Vibrationskissen und Blitzlampen in Funktion.
Seit 2014 haben hörgeschädigte Menschen einen Anspruch auf eine Rauchmelder-Lösung, die Kosten müssen von den Krankenkassen übernommen werden. Die Kassen übernehmen auch Sets, beispielsweise bestehend aus Türklingel, Wecker und Rauchmeldern mit mobilem Lichtblitz- und Vibrationsmelder. Wie bei allen vorgenannten Gerätelösungen: Vorheriger Besuch des HNO-Arztes plus Verordnung sind obligatorisch.
Was die Kostenträger nicht bezahlen
Es gibt recht viel weitere und sinnvolle Technik für Hörgeschädigte, die von keinem der Kostenträger in Deutschland finanziert wird. Dazu gehören zum Beispiel ein Sensor für das Festnetztelefon (der in etwa so funktioniert wie der beschrieben Türklingelsensor), Telefonverstärker oder spezielle Schwerhörigentelefone. Auch Ringschleifenverstärker werden von den Krankenkassen und sonstigen Kostenträgern nicht übernommen. Ringschleifenverstärker finden sich zumeist in Theatern, Konzertsälen und Kirchen und übertragen Sprach- und Musiksignale drahtlos direkt zu Hörgeräten oder Cochlea-Implantaten. Doch damit nicht genug: Mit bestimmten Kopfhörern lassen sich Musik- und TV-Genuss weiter steigern, Mobiltelefon mit Hörhilfe und Implantat koppeln und Cochlea-Implantate werden vom Handy aus fernsteuerbar.
All das und vieles mehr in einer späteren Folge dieses Ratgebers.
Adressen und Anbieter
Praktisch alle Hörgeräteakustiker haben Rauchwarnmelder, Lichtsignalwecker, Blitzlampen und Signalgeber für die Türklingel im Angebot, darüber hinaus wird man auch im Online-Fachhandel fündig. Detaillierte Informationen und Geräteanbieter gibt es zum Beispiel hier:
- gehoerlosen-bund.de/publikationen
- rehadat-hilfsmittel.de/de/produkte/kommunikation-information/audio-video-geraete/fm-anlagen/
- gehoerlosen-bund.de/barrierefreier%20service/technische%20hilfsmittel
- humantechnik.com
- bellman.com
- gnadeberg.de
- hear-it.org/de/hersteller
- hoerhelfer.de
- medel.de
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