Zum Deutschen Tag der Musik am 21. Juni erzählt HNO-Chefarzt und Kirchenmusiker Burkard Schwab über seine beiden Leidenschaften.
Endlich Wieder Hören-Experte Prof. Burkard Schwab ist nicht nur Chefarzt an der HNO-Klinik des Helios Klinikums Hildesheim, sondern auch ausgebildeter Kirchenmusiker und Musikwissenschaftler. Diese wunderbare Ergänzung verschafft Prof. Schwab einen besonders verständnisvollen Zugang zu Patientinnen und Patienten, die professionell Musik machen. Seit Jahren bietet er an seiner Klinik eine „Musiker-Sprechstunde“ an, bei der diese spezielle Klientel nicht nur die Expertise des Arztes, sondern gleichzeitig die des Musikers bekommt, der ihre spezifischen Belange besonders gut versteht. So können sie Hemmschwellen überwinden und eine Vertrauensbasis aufbauen.
Musik auch ohne Hörvermögen?
Die Kombination von Musik und Medizin findet Prof. Schwab auch bei schwerhörigen Menschen sehr nützlich. „Sprache ist sicherlich das führende Element unserer Kommunikation, auf der anderen Seite gibt Musik den Menschen eine unglaubliche spirituelle Erweiterung“, erzählt der Chefarzt, der nach wie vor als Kirchenmusiker aktiv ist und sonntags oft auf der Orgelbank anzutreffen ist.
Er beobachtet interessiert, wie sich unterschiedliche Hörgewohnheiten vor einem Hörverlust auf das musikalische Verhalten danach auswirken. „Menschen, die vorher keinen Zugang zur Musik gefunden haben, werden Musik auch mit zunehmendem Hörverlust kaum vermissen. Umgekehrt ist es für musikinteressierte Patienten sehr schmerzhaft, mitzuerleben, wie nach und nach die Fähigkeit, Musik adäquat aufzunehmen, verloren geht.“
Erwartungen und Ehrgeiz
Je nach Ausmaß des Hörverlusts versorgt Prof. Schwab seine Patienten mit Hörgeräten bzw. Hörimplantaten. Die Erwartungen an ein Hörsystem steigen, je musikalisch aktiver ein Patient vor dem Hörverlust war. Prof. Schwab misst der Beratung vor einer Implantation große Bedeutung zu. „Wenn die Erwartungen zu hochgesteckt werden, kann die eine oder andere Enttäuschung vorprogrammiert sein. Deshalb ist es sehr wichtig, in der Beratung klarzumachen, dass ein vollkommen normales Hörvermögen praktisch nicht zu erreichen ist“, so der Experte.
Doch hat Musik – abgesehen von der Freude, die sie vermittelt – noch andere Vorteile für Hörimplantat-Nutzer? Dieser Frage widmete sich der auch als Studienautor tätige Arzt noch nicht wissenschaftlich fundiert, doch vermutet er, dass Menschen, die vor ihrem Hörverlust aktiv musizierten, tendenziell bessere Hörerfolge mit ihrem Implantat verzeichnen. Was mit ihrer Erwartungshaltung und dem daraus resultierenden Ehrgeiz zusammenhängen könnte. „Ein Bauchgefühl“, wie er betont. Dieses Bauchgefühl trügt ihn nicht, denn schon seit vielen Jahren beschäftigen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt mit der gleichen Frage. Europäische und US-amerikanische Studien kamen zu übereinstimmenden Ergebnissen. Eine musikalische Ausbildung vor und idealerweise auch nach einer Hörgeräte- bzw. Hörimplantatversorgung wirken sich vor allem vorteilhaft auf das Sprachverstehen in lauter Umgebung aus.[1],[2]
Besser geht immer
Menschen, die vor ihrer Implantation keinen Zugang zur Musik hatten, finden ihn auch mit Implantat oft nicht, weiß der HNO-Arzt aus langjähriger Erfahrung. Für jene Hörimplantatnutzer, die Musik wieder genießen möchten, gibt es zahlreiche Übungsmöglichkeiten. Das Repertoire reicht von Musik-Apps wie Better Ears über Spotify Playlists für CI-Nutzer (MED-EL Music for Cochlear Implant Users), Blogtipps bis hin zu speziellen Musikübungsprogrammen wie Listen Up!
Wer spezielle Fragen zum Thema Musik und Schwerhörigkeit hat, kann sich an Prof. Schwab im Helios Klinikum wenden. Erfahrungen zum Thema Musik mit Cochlea-Implantat teilt HörPate Chris Lilienweihs gern: www.hoerpaten.de
[1] Fuller CD et al. The musician effect: does it persist under degraded pitch conditions of cochlear implant simulations? Front Neurosci. 2014 Jun 30;8:179
[2] Parabery-Clark et al. Musicians Change Their Tune: How Hearing Loss Alters the Neural Code. Hear Res. 2013 Aug;302:121-31