Hören mit zwei Ohren ist selbstverständlich. Doch was bedeutet es eigentlich, wenn ein Ohr nicht funktioniert? „Nicht so tragisch, er hört ja mit dem zweiten Ohr“, „es klingt eben nicht Stereo“ – solche und ähnliche Aussagen hört man öfter, doch sie zeugen von mangelnder Kenntnis, warum das Hören mit zwei Ohren so wichtig ist.
Woher ein Geräusch kommt, können wir nur feststellen, wenn wir mit beiden Ohren hören. Auch die Klangqualität verbessert sich merklich durch das binaurale Hören, wie das Hören mit zwei Ohren in der Fachsprache bezeichnet wird. Was wie ein Luxusproblem klingen mag, hat im Alltag massive Auswirkungen. Der heute zwölfjährige Valentin erfuhr sie am eigenen Leib.
Ein unbestätigter Verdacht
Das Neugeborenen-Hörscreening nach Valentins Geburt war unauffällig, erzählt seine Mutter Irene. „Er entwickelte sich allerdings zu einem sehr lauten Kind, seine Sprache war verwaschen“, erinnert sie sich. Logopädie sollte dieses Problem beheben, doch der Erfolg stellte sich nicht im gewünschten Ausmaß ein. Neben der Mutter vermutete auch die Logopädin Hörprobleme als Ursache für die undeutliche Sprache. Die vier niedergelassenen HNO-Ärzte, die Irene aufsuchte, führten bei Valentin Hörprüfungen durch. Immer schnitt er gut ab. Doch seine Sprache blieb undeutlich.
Zum Schuleintritt in der örtlichen Volksschule wurde dem Jungen eine sonderpädagogische Stützkraft zur Seite gestellt. „Leider durfte er dennoch nicht mit den anderen Kindern lernen, sondern spielte meistens allein im hinteren Bereich der Klasse. Er galt als Außenseiter, der auch in der 2. Klasse noch nicht lesen und schreiben konnte“, erinnert sich seine Mutter zurück. Ihre Ratlosigkeit blieb. Doch dann kam Kommissar Zufall ins Spiel.
Die neuen Kopfhörer
Irene hatte gerade erst neue Im-Ohr-Kopfhörer erstanden und wollte mit ihrem Sohn gemeinsam Musik hören. Freundschaftlich teilten sie sich die Kopfhörer. „Mama, ich höre nichts“, beschwerte sich Valentin jedoch. „Die Kopfhörer sind kaputt“, ärgerte sich Irene und testete die fragliche Seite selbst. Verwundert stellte sie fest, dass beide Hörer tadellos funktionierten. Ein Verdacht keimte in ihr auf. Schon am nächsten Tag fuhr Irene mit ihrem Sohn ins nächste Krankenhaus und bestand auf eine Überprüfung von Valentins linkem Ohr. Ihre Vermutung wurde bestätigt, und Valentin wurde für weitere Tests ans Krankenhaus St. Pölten überwiesen. Nach genauen Untersuchungen stand die Diagnose fest: Hochgradige Schwerhörigkeit am linken Ohr. Der Siebenjährige hatte links nie gehört. Da die niedergelassenen HNO-Ärzte immer beide Ohren gleichzeitig mit Lautsprechern getestet hatten, war Valentins einseitige Ertaubung nie aufgefallen. Irene war trotz der Diagnose erleichtert, denn endlich hatte sie eine plausible Erklärung für Valentins undeutliche Aussprache und sein lautes Organ.
Mit Optimismus zum Erfolg
Das Team an der HNO-Abteilung in St. Pölten beriet und unterstützte die Familie bestens. Ein Jahr zuvor waren Cochlea-Implantate für einseitig ertaubte Personen in Österreich zugelassen worden. Valentin wurde kurz nach seiner Diagnose als einer der ersten Patienten implantiert, denn er sollte nicht noch mehr „Hörzeit“ in Stereo verpassen. Zweifel an der Implantation hegte Irene nicht. „Mit Optimismus geht alles leichter. Ich dachte nicht daran, was alles schief gehen kann, sondern sah zuversichtlich auf alles, was wir durch die Implantation gewinnen“, erinnert sie sich an den Prozess der Entscheidungsfindung.
Seine Lehrerin war von dem neuen technischen Gerät weniger angetan, denn sie sah sich mit einem zusätzlichen Aufwand konfrontiert. Irene zog die Konsequenzen und suchte für Valentin eine Schule, die bereit war, dieses Mehr zu investieren.
Das neue Leben in Stereo
Mit dem Cochlea-Implantat und der neuen schulischen Umgebung blühte der bis dahin schüchterne Valentin innerhalb kurzer Zeit auf. Schnell lernte er lesen, schreiben und rechnen, gewann Freunde und vor allem an Selbstbewusstsein. Seine Mitschüler fanden Valentins „elektronisches Ohr“ interessant, ließen es sich erklären – und gingen alsbald wieder zum Tagesgeschehen über. Sie akzeptierten den Jungen mit seiner Hörbeeinträchtigung so wie sie andere Kinder mit Zahnspange oder Brille akzeptierten.
Nach mittlerweile fünf Jahren des Stereo-Hörens hat sich Valentin von einem schüchternen Knaben zu einem selbstbewussten Jugendlichen entwickelt, der sich viel mehr zutraut als seine Eltern es je geglaubt hätten. Er spielt begeistert Fußball, wagt sich auch an neue Sportarten, hat neue Freundschaften geschlossen und genießt die Gemeinschaft in der Feuerwehrjugend.
Bereit zum Erfahrungsaustausch
Mutter Irene ist glücklich über Valentins Entwicklung. Da Valentin eines der ersten einseitig ertaubten Kinder war, das mit einem CI versorgt wurde, konnte sie nicht auf Tipps und Ratschläge anderer Eltern zurückgreifen. Dabei findet sie einen solchen Austausch bereichernd. Irene ist gerne bereit, ihre Erfahrungen aus den vergangenen Jahren mit anderen Betroffenen zu teilen. Sie kann über den Leiter des Medizinisch-technischen Diensts der HNO-Universitätsklinik St. Pölten kontaktiert werden.
Auch zum Musikhören ist beidseitiges Hören wichtig. Lesen Sie hier weitere Erfahrungsberichte von einseitig ertaubten CI-Nutzern: https://www.endlich-wieder-hoeren.org/hoerimplantat-musik/ich-kann-endlich-wieder-stereo-hoeren/
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