Prof. Dr. Robert Mlynski zählt international zu den gefragtesten Experten im Bereich implantierbarer Hörsysteme. Warum Kinder für Chirurgen nicht nur kleine Erwachsene sind und ob ihn „switch-on“-Momente noch rühren können, erzählt der Direktor der Rostocker „Otto Körner“-Klinik im Interview.
Herr Mlynski, sind implantierbare Hörlösungen bald so eine Selbstverständlichkeit wie eine Brille?
Nein, davon sind wir sicherlich noch weit entfernt. Dass man sich zum Beispiel an den Anblick einer Brille schon gewöhnt hat, liegt auch daran, dass sie viel verbreiteter ist. Schwerhörige werden leider auch nach wie vor stigmatisiert. Sie gelten als „schwierig“ oder geistig eingeschränkt. Darunter leiden die Betroffenen enorm.
Ich kenne diese Situation aus der Perspektive der Angehörigen ebenfalls sehr gut, da auch meine eigene Mutter eine CI Trägerin war.
Viele scheuen sich dennoch lange vor dem entscheidenden Schritt. Auch Eitelkeit spielt da wohl eine Rolle.
Das ist absolut verständlich, natürlich sind Hörlösungen eine Umstellung, auch ästhetisch.
Aber ich glaube, es hilft sogar, wenn das eigene Handicap sichtbar wird – so können die anderen Menschen sich in der Kommunikation darauf einstellen.
Einem Betroffenen mit Einschränkung der Gehfähigkeit würde man die Tür aufhalten, bei unbehandelten Schwerhörigen sieht man auf den ersten Blick nichts. In diesem Bereich gibt es allerdings überhaupt noch Aufklärungsbedarf: Wir brauchen für den richtigen Umgang mit Schwerhörigen noch viel mehr Bewusstsein.
Wie hat sich aber die medizinische Versorgung verändert – und tut es noch?
Wir implantieren mittlerweile ja frühzeitig, schon Babys. Gerade bei den Kindern hat sich unglaublich viel getan, zum Beispiel mit dünneren, flexibleren Elektroden. Wir können simultan und bilateral implantieren.
Ein heute taub geborenes Kind hat die besten Chancen – es muss sich später von einem normal hörenden Kind nicht mehr unterscheiden.
Wie bewerten Sie die Versorgung mit Hörlösungen in Deutschland, im Vergleich zum Rest der Welt?
Wir haben weltweit eine einzigartig gute Versorgungslage. Auch ein einseitig ertaubter Greis hat den Anspruch auf eine passende Hörlösung – und er bekommt sie.
Die Kassen sind bei uns einfach der richtigen Ansicht, dass eine gute Behandlung in diesem Bereich für die Gesellschaft viel günstiger ist als die Konsequenzen von Schwerhörigkeit.
Sie waren, noch als Chirurg in Würzburg, ja an einer besonders schönen Patientengeschichte beteiligt: Der Sänger Peter Maffay ermöglichte damals die Operation eines taub geborenen, rumänischen Mädchens.
Die kleine Maria, ja. Das ist wirklich eine Geschichte, die ich nicht vergessen werde. Sie wurde beidseitig ohne Hörnerven geboren und hat im Alter von 4 Jahren ein Hirnstammimplantat erhalten. Obwohl sie bis dahin keinen einzigen Höreindruck hatte, hat sie danach eine unglaubliche Entwicklung gemacht.
Kann Sie so etwas noch rühren?
Natürlich. Wobei Kinder, die früh implantiert wurden, das Hören ja auch als etwas Gottgegebenes hinnehmen. Da sind es eher die Angehörigen, die emotional werden.
Die Reaktion der Eltern ist meist eine Mischung aus Freude, Dankbarkeit und Staunen: ‚Mein Kind hört!’
Worauf müssen Sie operativ bei Kindern eigentlich besonders aufpassen?
Kinder sind nicht nur kleine Erwachsene. Die Narkose und auch Blutverluste sind kritischere Momente. Die Vor- und die Nachsorge müssen entsprechend gut geplant sein. Besonders wichtig ist uns gerade auch bei Kindern, dass wir die Voraussetzungen für eine etwaige Re-Implantation im Laufe des späteren Lebens bestmöglich erhalten.
Wie alt war Ihr jüngster Patient?
Von derartigen Aussagen halte ich wenig, weil es nicht um Rekorde gehen sollte. Ich denke, es war ein sieben Monate altes Baby.
Wichtig ist aber immer, dass eine Operation medizinisch sinnvoll ist und mit möglichst geringem Risiko durchführbar. Die Entwicklung des Kindes spielt also die größte Rolle, zum Beispiel: Ist die Kopfkontrolle schon ausreichend? Aber natürlich auch: Wie sicher ist die Diagnose?
Im hohen Alter sind Implantationen auch noch möglich. Laien fragen sich: Ist das eigentlich noch sinnvoll?
Man muss auch bei älteren Patienten die individuelle Geschichte berücksichtigen, etwa, welche Begleiterkrankungen es gibt. Allerdings sehen wir schon, wie sehr gerade auch Ältere von der Operation profitieren können, da sie meist besonders auf Hilfe von außen angewiesen sind. Es ist wichtig, dass man in so einer Lage gut kommunizieren kann. Die Lebensqualität von älteren Patienten verändert sich mit einer passenden Hörlösung oft drastisch zum Positiven.
Welchen Ängsten begegnen Sie im Vorfeld häufig?
Die meisten Betroffenen haben Angst, im Zuge der Implantation ihr letztes bisschen Restgehör zu verlieren. Die Sorge vor Komplikationen versuchen wir zu lindern, indem wir über die Operation sorgfältig aufklären. Wir verwenden ja operativ sehr gute, standardisierte Verfahren und auch die Implantate werden immer besser. So können wir allerlei Nachwirkungen – wie Schmeckstörungen oder Schwindel – meistens verhindern.
Was ist Ihnen noch bei der Beratung und Behandlung Ihrer Patienten wichtig?
Wir pflegen eine Kommunikation auf Augenhöhe, unabhängig davon, welche Versicherung oder welchen Hintergrund jemand hat. Zu uns kommen oft Menschen, die eine lange medizinische Vorgeschichte haben. Die Problematik der Höreinschränkung muss also sehr genau analysiert werden und auch die Erwartungen der Patienten im Vorfeld schon gut besprochen werden.
Denn die Erwartungen sollen so gut wie möglich mit dem Erfolg der Behandlung übereinstimmen. Hier müssen wir aufklären und ein realistisches Bild vermitteln.
Erfahren Sie hier näheres über Prof. Dr. Mlynski.