Die Basis für einen bestmöglichen Behandlungsverlauf und eine aufbauende vertrauensvolle Beziehung zwischen Arzt und PatientInnen liegt im entscheidenden Erstgespräch. Kommunizieren auf Augenhöhe, Informationsaustausch zwischen allen Beteiligten und das Zusammenführen von fachlicher Notwendigkeit und menschlicher Befindlichkeit bestimmen besonders im Vorfeld von größeren medizinischen Maßnahmen das nachhaltige Gelingen.
Stephanie Traub arbeitet seit 2017 bei MED-EL in der Abteilung Forschung und klinische Projekte. Ihrem beruflichen Kontakt zu MED-EL ging ein sehr persönlicher voraus. Die 36-jährige promovierte Biologin trägt seit 2012 ein Cochlea-Implantat rechts, im Mai 2018 folgte auch die linke Seite. Stephanie Traub ist fortschreitend schwerhörig – als Ursache beschreibt sie eine vererbte Komponente, häufige Mittelohrentzündungen und Hörstürze. Die Problematik wurde bereits vor der Grundschule erkannt, damals wurden erstmals Hörgeräte angepasst. Erst im Alter von 16 Jahren wurde sie zur permanenten Hörgeräteträgerin, da bis zu diesem Zeitpunkt eine Kompensation möglich war. Trotz regelmäßiger Neuversorgungen wurde der Ausgleich ihres Hörverlusts wegen der weiteren Verschlechterung ihres Gehörs herausfordernd. Das Hören blieb trotz der Hörgeräte lückenhaft, verzerrt, Signale fehlten. Stephanie Traubs Alltag gestaltete sich zunehmend schwierig, sie umschreibt sogar einen Kontrollverlust über viele Bereiche. Telefonieren war kaum mehr möglich, selbst Gespräche in einer „Eins-zu-eins-Situation“ erwiesen sich als Herausforderung. Situationen, in denen die junge Frau nicht mehr mithalten konnte, häuften sich. Gleichzeitig empfand sie sich selbst aber trotz der Anstrengungen noch als relativ gut hörend.
Leidensdruck und Resignation
Erst ein Besuch beim HNO-Arzt änderte ihre Wahrnehmung. Er regte den Nachdenkprozess über ein Cochlea-Implantat an. Für Stephanie Traub bis dahin eine undenkbare Option – waren doch Implantate in ihren Augen etwas für Menschen mit vollständiger Taubheit. Der Arzt machte sie auf den Deutschen Schwerhörigenbund, eine Selbsthilfegruppe, aufmerksam, und legt ihr den persönlichen Austausch mit anderen Betroffenen nahe. Der Anschluss an Menschen mit Implantat war ein enorm wichtiger Schritt für sie, alle bestätigten eine starke Verbesserung des Hörens. Die Angst vor dem Eingriff, vor einer Operation am Kopf und die hemmende Situation blieben. Stephanie Traub ließ sich zeitgleich auch professionell beraten, zum einen am Cochlea-Implant-Zentrum Köln im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung an der Uniklinik Köln, zum anderen während eines Entscheidungsfindungsseminars der Kaiserberg-Klinik in Bad Nauheim. Es wurden unterschiedliche Tests durchgeführt, um abzuklären, ob ein Cochlea-Implantat aus medizinischer Sicht in Frage käme, und Ergebnisse ausführlich besprochen. In intensiven pädagogisch geführten Gesprächen wurde die Erwartungshaltung ausgelotet.
„Mir war es sehr wichtig, dass mit meiner Hoffnung und ihrer Erfüllbarkeit ehrlich umgegangen wurde. Wir haben viel darüber gesprochen, wie realistisch die eigenen Erwartungen an den Hörerfolg sind – die eigene Hörbiografie spielt eine große Rolle“, erzählt Stephanie Traub.
Die Erwartungen wurden von den Experten bewusst ausbalanciert. Bereichernd war während des Entscheidungsfindungsseminars auch der Austausch mit anderen Betroffenen, die alle ganz ähnliche Probleme, Ängste und Hoffnungen hatten.
Zwischen Zweifel, Erwartung und Entscheidung
Für Stephanie Traub war das Ansprechen von persönlichen Ängsten jeder Art hilfreich. Bekannte Nebenwirkungen wie Gesichtslähmung, Geschmacksveränderungen und Schwindel beschäftigen Betroffene ebenso wie der Gedanke an die Größe der rasierten Stelle am Kopf. „Nichts darf zu banal oder lächerlich erscheinen“, so Stephanie Traub. Sich selbst stellte sie immer wieder die Frage, wie wichtig ihr das Restgehör ist. Obwohl es nur mehr sehr gering war, machte ihr die Möglichkeit, nach der Implantation ohne Hilfsmittel auf diesem Ohr tatsächlich nichts mehr zu hören, große Angst. Erst als sie sich vergegenwärtigte, wie wenig sie ohne Hörgerät tatsächlich noch hören konnte, begann sie, das Implantat als Chance auf eine Verbesserung zu empfinden. Durch Gespräche mit Betroffenen, Ärzten, Pädagogen und Technikern haben sich Stephanie Traubs Ängste zunehmend reduziert und mit jedem Gespräch fühlte sie sich in ihrer Entscheidung für ein Cochlea-Implantat sicherer. Vom Vorschlag des HNO-Arztes bis zur Operation verging ein intensives Jahr, während dem die Angst vor dem Eingriff ab, das Leiden an Hörverlust, an sozialer Isolation und an der Hörerschöpfung zunahmen.
Selbstbewusst auf der Suche nach Information und Austausch
„Der Entscheidungszeitraum war eigentlich sehr kurz. Entscheidend war für mich die Kombination aus Erfahrungsaustausch in der Selbsthilfegruppe und Einschätzung der Mediziner. Die subjektiven Berichte von Personen mit ähnlichen Hörbiografien wurden durch die objektive Einschätzung der Ärzte ergänzt, deren klinische Erfahrung mir viel Vertrauen gegeben hat“, erklärt Stephanie Traub.
Auf die zweite Operation ist Stephanie Traub gänzlich angstfrei zugegangen: nach dem ersten Implantat erwiesen sich die meisten Ängste als unbegründet, und sie sah das zweite Implantat als große Chance, ihr Hören weiter zu verbessern.
Rückblickend empfindet Stephanie Traub auch die eigene Internet-Recherche als wichtig. Als prägend hat sie den Blog Not quite like Beethoven in Erinnerung, der neben einer sehr eindrücklichen Erfahrung zur Entscheidungsfindung viele Informationen zum Leben mit Hörschädigung und Cochlea-Implantat bietet.
Zur Vorbereitung auf das Erstgespräch mit dem Facharzt an der CI-Klinik empfiehlt sie Betroffenen, einen Fragenkatalog zu erstellen, der Fragen alle individuell wichtigen schriftlich festhält und während des Gesprächs zur Hand ist, so dass in der Aufregung keine der Fragen vergessen wird und daher unbeantwortet bleibt. Sie empfiehlt, sich im Vorfeld bereits Gedanken über das Leben mit Implantat zu machen und daher etwa mögliche Konsequenzen für Sport, Reisen oder auch medizinische Untersuchungen wie MRT zu erfragen. Offene Fragen tauchen vor und nach dem Erstgespräch mit dem Arzt auf – bis zum Operationstermin sollten aber alle Möglichkeiten genutzt werden, um diese zu beantworten.
11 Schritte zur idealen Vorbereitung für dein Erstgespräch
- Fragenkatalog erstellen und abarbeiten
- Eigene Lebenssituation klar formulieren – Ängste, Hoffnungen, Ziele definieren
- Ängste und Unsicherheiten ansprechen
- Fragen, die sich aus Gesprächen mit anderen Betroffenen ergeben notieren und anbringen
- Diagnose festigen und Therapiemöglichkeiten definieren
- Hoffnung und Erfüllbarkeit ausloten
- Falls notwendig eine Vertrauensperson zum Gespräch mitbringen – gibt Sicherheit und hilft die Informationen gemeinsam zu verarbeiten
- Während dem Gespräch Notizen machen oder um schriftliche Unterlagen oder Links bitten
- Selbst recherchierte Vorinformationen gezielt einbringen und um die Einschätzung des Arztes bitten
- Alle Informationen eingehend hinterfragen und sich Fachbegriffe und Fremdwörter verständlich erklären lassen
- Engagiert für die eigene Gesundheit eintreten und sich mündig an Entscheidungsfindungsprozessen beteiligen
Wichtige Stationen auf dem Vorbereitungsweg zur OP
- Erneut Fragenkatalog erstellen und abarbeiten
- Selbsthilfegruppe
- Entscheidungsfindungsseminar
- Genügend Zeit für Technikberatung nehmen
- Eigenständig recherchieren
- Bestaufgeklärt in die Operation
- Falls wichtige Fragen auftauchen, lieber neuen Termin vereinbaren