„Sinn und Zweck unseres Vereins ist es, Gehörlosen oder hörgeschädigten Menschen den Karneval näherzubringen, an dem sie sonst vielleicht nicht teilnehmen würden“, erklärt Udo Prell, Präsident der Jecke Öhrcher und selbst Vater eines hörbeeinträchtigten Kindes. Im Verein organisieren sich aktuell mehr 150 Mitglieder: normal hörende, schwerhörige, komplett gehörlose und Mitglieder mit Cochlea-Implantat. „Wir sind ein positives Beispiel für Inklusion, denn bei uns sind Hörende und Nicht-Hörende in einem Verein gemeinsam aktiv“, ergänzt Prell. Was sie alle verbindet? Sie wollen nicht nur Karneval feiern, sondern auch Brauchtum wie Sprache und Gesang pflegen und transportieren.
Die neunjährige Ella aus Köln feiert im Karneval ganz vorne mit – sie trägt ein Cochlea-Implantat.
„Das Besondere an der Gehörlosigkeit: Man sieht sie nicht.“
Die neunjährige Ella aus Köln-Sürth geht in die dritte Klasse und liebt den Karneval – genauso wie ihre Altersgenossen. Doch sie hört nicht wie andere Kinder. „Bei Ella wurde bereits in der zehnten Lebenswoche eine mittelgradige Hörschädigung festgestellt“, sagt ihre Mutter Andrea Schöpper. „Zunächst haben wir es mit Hörgeräten versucht, dann aber doch entschieden, ihr ein Cochlea Implantat einsetzen zu lassen. Wir wollten ihr das Leben als lautsprachlichem Menschen ermöglichen. Dank des Implantats kann Ella ganz normal hören und kommunizieren.“ Andrea Schöpper ist im Cochlear-Implantat-Zentrum an der Kölner Uniklinik auf die Jecke Öhrcher aufmerksam geworden und engagiert sich ebenfalls im Verein. Beim Karnevalsumzug am Sonntag, den 7. Februar, der durch die gesamte Kölner Innenstadt geht, wird neben ihrer Tochter Ella auch der ganze Rest der Familie vor Ort sein. „Da sind dann alle zusammen“, lacht Schöpper.
Die Jecken verständigen sich untereinander auf ganz unterschiedliche Art und Weise: Während die Mitglieder mit Cochlea-Implantat so gut hören können wie Ella, ist für die Gehörlosen ein Gebärdendolmetscher mit dabei. Andrea Schöpper wünscht sich weniger Berührungsängste mit Hörverlust und einen selbstverständlicheren Umgang mit Hörhilfen. So wie beispielsweise mit einer Brille. „Das große Problem an der Gehörlosigkeit ist – man sieht sie nicht. Deshalb ist es so wichtig, die Umwelt zu integrieren, damit alle etwas offener damit umgehen,“ sagt Schöpper.
Im Karneval sind alle gleich
Dr. Ruth Lang-Roth ist Oberärztin und ärztliche Leitung des Cochlear Implant Centrums an der HNO Klinik am Universitätsklinikum Köln und ebenfalls Mitglied der Jecke Öhrcher. „Ich mochte die Idee, hörende und nicht hörende Menschen im Karneval zusammen zu bringen“, sagt sie. Viele Vereinskollegen sieht sie regelmäßig in ihrer Sprechstunde, denn die meisten Mitglieder, die ein Cochlea-Implantat tragen, wurden am Uniklinikum operiert. Dr. Lang-Roth genießt den intensiven Austausch und die gemeinsamen Unternehmungen in der Freizeit. Denn Karneval beginnt immer schon im Vorjahr: Den ganzen Winter über bereiten sich die Jecke Öhrcher auf den Endspurt in den Wochen vor Aschermittwoch vor – sie treffen sich, um die Kostüme zu nähen, sammeln Ideen für die Gestaltung des Wagens und schmücken ihn gemeinsam kurz vor dem Umzug durch Köln. Beim schon traditionellen Schlittschuhlaufen um die Jahreswende treffen sich die Familien auf der Eisfläche am Heumarkt – vor allem zur Freude der Kinder. „Wir sind gelebte Inklusion“, sagt Prof. Dr. Martin Walger, Leiter der Audiologie und Pädaudiologie des Universitätsklinikums Köln und natürlich auch Vereinsmitglied. „Ob normal hörend, hörgeräteversorgt oder CI-implantiert – bei den Jecke Öhrcher haben alle ihren Spaß.“
Gefahr für das Gehör
Durch die zahlreich im Verein vertretenen Mediziner und Experten rund ums Hören sind die Jecke Öhrcher bestens auf die Karnevalsumzüge vorbereitet. Denn bei allem Spaß und aller Freude, die die fünfte Jahreszeit mit sich bringt, ist sie mitunter nicht ganz ungefährlich – vor allem für das Gehör. Der Lärmpegel bei den vielen Umzügen durch die Stadt darf nicht unterschätzt werden, warnen die Ärzte: „Besonders gefährlich sind Impulsschalle, also kurzzeitig hohe Pegel“, so Prof. Walger. „Schon einzelne Ereignisse wie Trillerpfeifen, Trompeten oder ähnliches können ohrnah zu einem Hörschaden führen und beispielsweise lästige Ohrgeräusche (Tinnitus) auslösen – das betrifft nicht nur Kinder, sondern alle Altersklassen.“ Lärmprotektoren wie Ohropax oder Ohrstöpsel helfen, den Lärm effektiv zu minimieren, rät Walger. So lässt sich das bunte Karnevalstreiben ganz unbeschwert genießen.